Verborgen in Eis und Schnee

 Neun Frauen und Männer auf der Neumayer-Station in der Antarktis

Dokuserie für Arte und ARD
Sendedatum: 18., 19., 20. Februar 2008, 19 Uhr auf ARTE

 

Südpol, Position: 70°39´S, 08°15´W

 

Wir befinden uns am Ekström-Schelfeis, Atka-Bucht, nordöstliches Weddell-Meer. Die Höchsttemperatur beträgt an wenigen Tagen etwas über Null Grad. Letztes Jahr hat es hier zum ersten Mal seit Menschengedenken geregnet. Insgesamt ist die Antarktis trocken, es ist eine Eiswüste. Der wenige Niederschlag summiert sich aber zu 80cm im Jahr und führt dazu, dass die Forschungsstation immer tiefer im Eis versinkt.

Dank dieser Station hat Deutschland eine führende Rolle in der Polar- und Klimaforschung. Wie sah das Klima in den vergangenen Jahrtausenden aus? Wie geht es in der Zukunft weiter? Was ist mit dem Ozonloch? Was richten die Verschmutzungen unserer Industrie global an, wo sie selbst schon im Reinluftlabor Antarktis zu messen sind? Gemessen werden können hier aber auch verbotene Atomwaffentests irgendwo in der Welt oder Walgesänge. Und eine Kolonie Kaiserpinguine ist gleich nebenan.

Um die Forschung und die ungeheure Logistik, die dahinter steckt, geht es in dieser Dokuserie. Und natürlich um die Frauen und Männer, die das alles möglich machen.

Neumayer steht auf 200 Meter dickem, nahezu ebenem Schelfeis. Aus der Ferne sind lediglich die Treppentürme zu erkennen, die den Schnee um wenige Meter überragen. Die Schelfeiskante, an der das Versorgungsschiff "Polarstern" anlegen kann, liegt zehn Kilometer entfernt. Die Station besteht aus zwei rund 90 Meter langen parallelen Stahlröhren von acht Metern Durchmesser. Darin sind Container mit Wohnräumen, Küche, Messe und Hospital sowie verschiedene Labore, Werkstatt, Funkraum, Sanitärräume, zwei Energiezentralen und eine Schneeschmelze untergebracht. In der ebensolangen Querröhre sind Vorrats-, Abfall- und Tankcontainer. Ein Tunnel verbindet die Station mit einer Halle, in der vom Motorschlitten bis zur Schneefräse alle Fahrzeuge stehen.


Im antarktischen Winter leben und arbeiten neun Überwinterer in der Station: Arzt/ Ärztin, die auch Stationsleiterin ist, ein(e) MeteorologIn, zwei GeophysikerInnen, ein Ingenieur, ein Elektriker, ein Funker/Elektroniker und ein Koch. Die Überwinterer bleiben 14 bis 15 Monate. Über neun Monate sind sie nur über Funk mit der Außenwelt verbunden. Stürme und die wochenlange Polarnacht machen eine Reise von oder zur Station unmöglich. Es ist ein Leben wie in einem U-Boot.

Im kommenden Winter wird die Station von 5 Frauen und 4 Männern im Alter von 29 bis 44 Jahren betrieben.

Und bevor es im November via Kapstadt endlich ins Eis geht, liegt eine Menge Vorbereitung vor ihnen. Fachliche Spezialkurse, Eisspaltentraining in den Ötztaler Alpen, Brandschutztraining auf einem brennenden Marine-Übungsschiff; erste Hilfe, Umgang mit schweren Maschinen...

 

Auf dem Bergkurs in den Ötztaler Alpen, auf 3000m Höhe, in Hütte und Gletscherspalten, beginnen für uns die Dreharbeiten. Schnell wird klar, wie umfangreich die Vorbereitung und wie hoch die Ansprüche an die Überwinterer sind. Ob ein Dieselaggretgat ausfällt, eine Blinddarmoperation notwendig ist oder der Umgang untereinander – alles kann über Leben und Tod entscheiden. Nicht umsonst genießen die Überwinterer in dem Alfred-Wegner-Institut in Bremerhaven mit 800 Angestellten einen besonderen Status.

Die Anforderungen auf der Neumayer-Station sind sehr komplex und von niemanden wird erwartet, dass neben den Grundvoraussetzungen alle Spezialkenntnisse mitgebracht werden. Ab jetzt werden die Kandidaten gezielt auf den Stand gebracht. Der Allgemeinmediziner kann ebenso Nachhilfe in der Zahnmedizin wie im Operationssaal brauchen. Die Wissenschaftler müssen auf die Technik vor Ort eingeschworen werden. Der Elektriker muss in den Schweisskurs und der Koch muss sich in seiner Planung darauf einstellen, daß er nicht eben mal in die Markthalle zum Gemüseeinkauf gehen kann.

Was für alle gilt, sind die Kenntnisse die man für die Sicherheit und medizinische Grundversorgung braucht. In Neustadt wird deswegen ein Brandschutzlehrgang absolviert. In der Antarktis kann "unter Tag" nicht mit Wasser gelöscht werden, weil es schlicht und einfach dafür keines gibt. Im Brandschutzzentrum wird unter realen Bedingungen der Ernstfall geprobt. Auf engstem Raum wird mit schwerem Atemschutz gearbeitet – Stress pur. Danach geht es zum Erste Hilfe Kurs. Mindestens ein bis Drei Freiwillige gehen darüber hinaus in den Operationssaal. Im Ernstfall müssen sie bei einer Operation in der Antarktis assistieren können.

Im November gilt es Abschied zu nehmen von der Familie, den Kindern und den Freunden. Die erste Station ist Kapstadt. Hier geht man auf Wartestellung. Je nach Wetterlage fliegt eine russische Transportmaschine – die einzige überhaupt, die die Deutschen in die Antarktis bringen kann. Es gibt eine besonders gefährliche Wettersituation: Die Sonne scheint und das Licht wird vom Boden zu den Wolken reflektiert und wieder zurück, eine totale Überbelichtung – bei bestem Wetter sieht man dann gar nichts mehr. Ist man gestartet gibt es irgendwann einen "Point of no return". Der nächste Stop ist die russische Forschungsstation und von da geht es dann endlich mit eigenen viersitzigen Propellermaschinen zu Neumayer.

Auf der Neumayerstation warten die Überwinterer aus dem vorigen Jahr auf die Ablösung. Doch bis die wieder zu Hause sind vergehen nochmal rund drei Monate. Diese Zeit wird "Sommercamp" genannt. Die "alten" Überwinterer lernen die "Neuen" ein. Zusätzlich sind weitere Wissenschaftler vor Ort, die in eigens im Freien aufgestellten Containern wohnen und forschen. Die Polarstern muss entladen werden und die Neumayer-Station auf Vordermann gebracht werden. Es ist relativ viel los, mitten in der Antarktis. Es bleibt aber auch Zeit für Ausflüge zur Pinguinkolonie, für das Joggen entlang der Startbahn und sogar eine Golfausrüstung hatte schon jemand dabei. Irgendwann im Februar/ März ist es dann soweit. Es wird gepackt und abgereist – unsere neun Frauen und Männer bleiben alleine zurück.

Endlich alleine, nach all der Vorbereitungszeit. Endlich ein eigenes Zimmer. Dafür muß man Kälte, Dunkelheit und Isolation in Kauf nehmen. Bis zum nächsten November...

Anfang 2007 geht es dann zurück. Mit welchen Forschungsergebnissen kommen unsere ÜWIs zurück? Und wie haben sie sich selbst entwickelt? Ab Sommer 2007 auf ARTE und im Ersten.
 

Abschied der Kohnen-Traverse Arbeit am Watzmann
   
auf Traverse eingeschneite Traversenzelte
   
unser Zuhause der Pinguin und ich
   
Skidoo fahren macht Spass Pinguin Nr.1